Ausstellungsansicht / view of exhibition

Ausstellungsraum "Fleisch" im ehemaligen Café Moskau an der Karl-Marx-Allee, Berlin
2004
Foto: Thomas Bruns, Berlin

Text von Asim Chugtai, Kurator von "Fleisch"

Die in der Ausstellung gezeigten Objekte geben verschiedene Stränge und Gedanken seiner künstlerischen Produktion wieder. Die Technikgeschichte des zwanzigsten Jahrhunderts, moderne Alltagskultur und Fragen sozialer Verkehrsformen tauchen hier als Eckpfeiler eines gesellschaftlichen Ganzen auf, werden zu einem Panorama vereint, dessen treibende Kraft in seiner Offenheit gründet.
Die für die Ausstellung gefertigten Objekte bezeichnen ironisierend die taumelnde Bahn einer Sinnsuche, indem Zeichen, Bilder und gefundene Sprache vordergründig zusammenhanglos in Beziehung gestellt werden. Dem Betrachter bleiben trotz der Deutlichkeit ihrer Wiedergabe, die teils naturalistischen, wie den maßstabsgetreu, allerdings aus Holz gefertigten Leutkästen, teils poetisch verfremdeten Objekte, der einem Puzzle gleich aus fast einhundert Teilen zusammengesetzen Krone, in ihrem Zusammenhang fremd.
Im wörtlichen wie auch im tatsächlichen Sinne rahmen Krone und Leuchtkasten den mittleren Raum ein. Dort befindet sich eine Skulptur aus eckigen Aluminiumstangen unterschiedlicher Länge, zum Teil zu Kreisformen gebogen, durch Nietverbindungen miteinander verbunden. Die technoide Anmutung des polierten Metalls unterstreicht die hier gefundene Form und verweist in dieser Verbindung auf Architektur und auf die Raumfahrt. Allerdings scheint hier die sonst streng durchgehaltene Logik der Konstruktion, wie sie beiden Disziplinen in der Regel zu eigen ist, durch eine Verkehrung gestört. Die sich von einem Ende zum anderen hin verjüngende, dreigliedrige Form der Skulptur erfährt eine Umstülpung am Übergang vom mittleren zum letzen Segment. Dieses Segment vereint in seiner Spitze alle längsgerichteten Streben und bildet so eine Kuppelform aus. Das Objekt erfährt nur aufgrund unserer Erfahrung seine Einordnung als Himmels-gefährt oder Turmgebäude. Tatsächlich ist es aus der Ordnung dieser Dinge herausgefallen. Seine Platzierung im Raum, die wie durch den Aufschlagsimpuls herausgesprungene Abdeckung der Heizung deuten darauf hin.
Direkt über dem zentralen Raum befindet sich auf dem Dach des Gebäudes eine weitere Skulptur gleichen Materials. Die für eine kurze Strecke parallel laufenden Linien einer Parabel streben spiegelbildlich von ihrem Umschlagpunkt aus betrachtet auseinander,um nach kurzer Wegstrecke in ihrer Stetigkeit unterbrochen, sich in der Form einer Dreiecksspitze wieder zu vereinen.
Als weiteres Element tritt die Eingangs erwähnte Sprache hinzu. Der Schriftzug an der Glasscheibe des rechten Raumes(wo sich auch die beiden Leuchtkastenatrappen befinden) lautet:“We all win but in time!“ Als Vorlage diente ein Foto eines Graffiti auf einer Hauswand in Berlin. Jeder Versuch einer Übersetzung muss scheitern, eingedenk des Fundortes und dem Wahnwitz der sich aus der Unterstellung einer richtigen/sinnvollen Interpretation ergibt, die so nah wie möglich am Original haften bleiben möchte. Was im deutschen soviel wie: „Wir gewinnen alle, aber rechtzeitig!“ heissen mag, lässt sich durchaus umformulieren in Richtung einer semantisch verstehbaren Aussage. Allerdings um den Preis, das der Ausgangssatz im Moment seiner Reformierung und Rückübersetzung ausgelöscht würde. Er mithin also keine Aussage macht, die Sinn stiftet, sondern jeden Versuch, ihm einen konsistenten Sinn abzugewinnen, zum Scheitern verurteilt.
Bis an diese Stelle könnte man der Ausstellung mit guten Gründen als eine Rätselaufgabe ansehen. Die gezeigten Objekte bilden eine Einheit im Rahmen der Ausstellung, sind als Teil dieser Elemente eines Bildes. Unterstreichen gar durch die Nähe ihrer formalen Auffassung den Anschein von Geschlossenheit und Konsistenz. Und doch bleiben sie in jedem Augenblick für sich: räumlich abgeschlossen, verweise liefernd auf Phänomene aus Alltagskultur, Wissenschaften und Geschichte, um einander letztlich doch immer wieder zu verfehlen.
Die Ausstellung von Oliver van den Berg bei FLEISCH kreist um die Fiktion des glücklichen Moments. Eines Moments von dem man sich wünschte, er möge aufhören ein besonderer zu sein.

Die Krone des Geldspielautomaten.
Werbung für einen Gewinn und eine Zukunft, worin sich die Gegenwart als
ewige Abfolge von Entscheidungen in ein bewußtloses und höriges Streben nach einem einzigen Ziel verkehrt.

Die Leichtbaukonstruktion.
Der Versuch dem tatsächlichen Raum durch energetische Effizienz ein Schnippchen zu schlagen, wie durch ein Wunder in ihren einzelnen Teilen intakt und dabei doch so ganz offensichtlich funktionslos geworden, nur noch Gerippe: ein ordentlicher Trümmerhaufen.

Die Neonleuchkästen.
Hölzerne Attrappen ihrer selbst, nackt. Der Botschaften beraubt und verbindungslos. Stehen sie im Licht und verstrahlen ihre eigene Eindeutigkeit: fremdes Licht.

Der Satz. Die Worte. Der Mut, den sie verkünden sollen, tönt nach als Hohn denen, die ihn verstehen wollen.

Asim Chughtai